[:de]Gilt das auch für’s 2nd year visa? Arbeiten in Australien[:]

[:de]Als richtiger Backpacker in Australien gehört die Arbeit für das 2nd year visa (Visum für ein zweites Work-and-Travel Jahr) einfach dazu. Dafür muss man drei Monate oder 88 Tage insgesamt arbeiten und macht das üblicherweise auf einer Farm in Mitten von Nichts. Das mit dem Nichts ist relativ. Davon gibt es z.B. in Western Australia wesentlich mehr als in Victoria. Arbeitet man also auf einer Farm in Victoria ist die nächste größere Stadt oft nicht weiter als 50 km weg.

Äpfel müssen groß und stark werden

Uns hat es Anfang Dezember zum Apfelausdünnen nach Bendigo in Victoria verschlagen. Wir sollten die überflüssigen jungen Äpfel vom Baum werfen, damit die übrigen Äpfel auch recht schön groß werden können. So bekommst du also deine Monsteräpfel im Supermarkt. Dafür müssen viele Babyäpfel sterben ?
Sam, unser Kontakt von der Farm, machte uns zur Begrüßung deutlich: „Man braucht vielleicht drei Wochen, um bei der Arbeit schnell genug zu sein, um Geld zu verdienen. Jeder der eher geht, verschwendet nur seine Zeit.“ Schön und gut, wir probieren es trotzdem.

Maria bei der Arbeit. Äpfel ausdünnen heißt "apple thinning"

Die Arbeitstage laufen immer gleich ab. Früh um sechs geht es mit dem Auto in den Block der Plantage, der heute dran ist, unser Aufseher sagt nochmal, dass wir ordentlicher arbeiten müssen, dann nehmen alle ihre Leiter und auf geht’s Äpfel vom Baum werfen. Eine Mittagspause gibt es auch und Schluss ist gegen um drei.
Bezahlt werden wir pro Baum und wie wir eben so sind, rechnen wir uns jeden Tag unseren Stundenlohn aus. Der fällt am ersten Tag unterirdisch aus, am zweiten geht es schon und am dritten Tag stehen wir komischerweise wieder schlechter da. Wie kann das sein? Pro Block sind die Bäume unterschiedlich groß und dicht und entsprechend bekommen wir mal mehr und mal weniger pro Baum. Trotzdem sieht es für uns eher nach Glück aus, dass wir unabhängig von der Einarbeitungszeit überhaupt den Mindestlohn für diese Arbeit erreichen (22,13$). Dann kommt unter den anderen Backpackern, die fast alle die Arbeit nur machen, damit sie ein zweites Jahr in Australien kriegen, auch noch das Gespräch auf nicht bewilligte Visa, weil sie unterbezahlt wurden und die Panik ist perfekt. Ziemlich jeder schließt innerlich mit der Arbeit ab und hofft, dass er bald was Neues findet.

Am Wochenende wandern wir im Skigebiet von Mount Buller

Am Wochenende haben wir frei und wollen sehen, wo die Australier im Winter skifahren, um dort wandern zu gehen. Auf dem Weg zum Mount Buller entdecken wir zufälligerweise eine Kirschfarm, die auch noch mit hausgemachtem Kirscheis lockt. Wir sagen uns, dass wir ja hier nur gewinnen können und fragen uns bis zum Büro durch. Dort begrüßt uns Amanda mit einem Lächeln und gibt uns gleich ein paar Formulare mit. „Die Saison hat gerade erst begonnen, wir brauchen auf jeden Fall bald mehr Leute zum Sortieren und Verpacken.“, sagt sie. Die Arbeit wird stündlich mit 23,13$ bezahlt und liegt damit sogar einen Dollar über dem Mindestlohn für Saisonarbeiter. Auf was warten wir noch? Die Formulare senden wir am Nachmittag ausgefüllt an Amanda zurück und am nächsten Tag schreibt sie uns, dass wir in zwei Tagen anfangen können. Besser kann’s ja nicht laufen!

Tatsächlich gehen nicht nur wir, sondern fast alle anderen, die mit uns auf der Farm arbeiten. Das haben die Farmer davon, wenn sie Backpacker ausnutzen. Viel mehr Möglichkeiten haben wir aber auch nicht um dagegen was zu machen.

Tage auf unserem Konto: 8

Kirschen wollen sortiert werden

Wir freuen uns auf die Kirschfarm. Wir können in einer etwas kühleren Halle arbeiten, anstatt in der prallen Sonne zu rotieren und immer noch unterbezahlt zu werden. Die Regeln wurden mal mit den Mitarbeitern gemeinsam abgestimmt, damit alle fair behandelt werden. Woran merkt man übrigens, dass man auf einer Farm fair behandelt und bezahlt wird? Es arbeiten viele Australier dort!
Trotzdem wundern wir uns über die vielen Frauen mit Kopftuch. Nach ein paar Gesprächen kommt raus, dass sie alle über eine Art Zeitarbeitsfirma an die Arbeit gekommen sind und ursprünglich aus Pakistan und Afghanistan kommen. Ein paar Mädels aus Malaysia sind auch noch dabei.
Wenn ich mir das mal so überlege, ist es eigentlich kein Wunder, dass „normale“ Backpacker selten beim Verpacken arbeiten können. Die Stellen sind einfach schon an jemand anderes versprochen, der verlässlich die Arbeiter ran holt. Die meisten sprechen zwar nur schlecht Englisch, aber ich muss ja nicht mit den Kirschen reden, wenn ich sie sortiere.

Maria steht an der Waage und kontrolliert eine letztes Mal die Kirschen

Wir kommen auf einem nahen Campingplatz unter und fahren jeden Tag 10 min zur Arbeit. Geschlafen wird im Zelt, geweckt werden wir von lachenden Kookaburras (hört sie euch mal an) und kreischenden Kakadus, gegessen wird in der gemeinsamen Campingküche und manchmal machen wir ein Lagerfeuer mit den anderen von der Kirschfarm, sodass das Gefühl von einem gemütlichen Hostel aufkommt.

Wieder ein Gourmetgericht, zu Weihnachten: selbstgemachte Pizza aus dem Campingküchenofen.

Bezahlte Meditationsübung?

Die Arbeit beim Sortieren am Laufband und Verpacken reißt uns dann doch nicht vom Hocker, als wir einmal dabei sind. Sie mag nicht so körperlich anstrengend sein, wie ständig in der prallen Sonne die Leiter rauf und runter zu klettern, dafür ist sie mental um so fordernder. Sie ist monoton und stumpf und das wird auch mit der Zeit nicht gerade besser. Auch, wenn wir Musik oder Hörbücher oder irgendwas anderes hören dürfen, sind wir ja schon den ganzen Tag alleine mit unseren Gedanken. Da ist es nicht unbedingt hilfreich, wenn der Gedanke: „Das ist doof, langweilig und stumpf!“ im Kopf kreist. Dadurch bekommen wir nicht nur schlechte Laune, sondern die Zeit vergeht auch noch unheimlich langsam. Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass wir uns entschieden haben den Job zu machen und uns keiner dazu zwingt. Außerdem können wir die Zeit auch gut nutzen, um endlich mal Hörbücher oder Podcasts zu hören, für die wir uns sonst nie die Zeit genommen haben. Ich hab dadurch so viel gelernt beim Kirschen sortieren, das glaubt ihr ja gar nicht ?

Hier meine Empfehlungen (alle in English):

  • Alex Blumberg erzählt, wie man im Audioformat erzählen sollte: hier,
  • Rolf Potts (Autor vom Buch Vagabonding) über Zeitreichtum: hier,
  • Erik Vance über die unglaubliche Wirkunksamkeit von Placebos: hier

Besonders lustige Geschichten sind bei so monotoner Arbeit zu empfehlen.

  • Roger Willemsens Deutschlandreise hat mich zum Beispiel mit heftigen Lachanfällen aus einem Stimmungstief rausgeholt. Die Realität in Deutschland ist manchmal auch echt zu komisch 🙂

Wiedermal hat mir diese Arbeit gezeigt, dass es mehr auf die innere Einstellung als auf die Arbeit an sich ankommt, ob man sich gut fühlt oder nicht. Deutlich war für mich aber auch, dass es mir wichtig ist, wie Vorgesetzte mich und alle anderen behandelt. Überall in den Pausenräumen hingen sogar Infoblätter, dass die Firma auf der Grundlage von Respekt und Fairness gegründet wurde. Und das war spürbar! Ich war nicht nur ein Rädchen im Getriebe, sondern wurde als Person behandelt und Bitte und Danke habe ich ständig gehört.

Tage auf unserem Konto: 44

Die Saison hat gerade erst begonnen

Die Kirschsaison war Mitte Januar beendet. Seit dem sind wir durch Victoria gefahren, um direkt bei den Farmen nach Arbeit zu fragen. Im Yarra Valley, wo angeblich gerade Hochsaison für Beeren ist, wurde keiner gebraucht und Beeren waren auch nicht mehr so viele da.
Fündig wurden wir dann in Shepparton. Zwei Stunden nördlich von Melbourne liegt diese Kleinstadt, die von Farmen umringt ist. Wir hatten Glück und waren zur richtigen Zeit in der Jobagentur für Farmarbeit, sodass wir am gleichen Tag einen Job als Obstpflücker bekommen haben.
Jetzt pflücken wir also Birnen und Pfirsiche und hoffen, dass wir hier den Mindestlohn erreichen können. Wir rackern uns dafür bei über 30°C in der Sonne ab und sind am besten Tag mal auf 20$ die Stunde gekommen, das wird schon noch.

In der leeren Obstkiste werden wir morgens halb 7 zur Obstplantage gefahren. Staunende und vielleicht auch ungläubige Gesichter zum Sonnenaufgang.

Tage auf unserem Konto: 51

Was tut man nicht alles, um ein weiteres Working Holiday Visum zu bekommen! Dabei ist es für uns nicht mal sicher, ob wir es überhaupt beantragen können. Bis jetzt ist die Altersgrenze für die Beantragung 30 Jahre. Australien plant die Grenze hochzusetzen, aber braucht dafür auch die Zustimmung vom Partnerland. Trotzdem, wir haben eigentlich genug Zeit, um die restlichen 37 Tage zu erarbeiten und eigentlich wollten wir uns die Option dafür offen halten. Dafür müssten wir aber, wenn wir pessimistisch rechnen, bis Ende März arbeiten. Und das wollen wir definitiv nicht, immerhin fliegen wir Anfang April schon nach Neuseeland. Dafür ist uns die Zeit hier zu schade.

Ok, also das mit dem Visum fürs zweite Jahr überlassen wir dann doch lieber den anderen verrückten Backpackern. Wir bessern noch bis zur ersten oder zweiten Märzwoche unser Budget auf und dann haben wir uns Urlaub wirklich verdient.

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3 Kommentare

  1. Die Kookaburras sind ja der Knaller. Bitte bringt mir einen mit! 🙂

    • Ich glaube, der Zoll wird das merken. Micha kann nicht so lange einen Lachanfall vortäuschen, glaube ich 😉

  2. Hallo Ihr Zweehe!
    Hier mal ein Kommentar 😉
    Ich hab den Beitrag gerne gelesen – tolle Idee mit den tierischen Hörbeispielen & danke für die Podcasttipps & natürlich die Bilder! :-))
    Liebste Grüße!

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