Hsipaw: Auf kargen Wegen in die Berge zu den Palau

Hsipaw stellen wir uns als Metropole in den Bergen vor. Vielleicht vergleichbar mit Innsbruck.

Riesige Säcke Knoblauch und randvolle Körbe Tomaten verlassen während der Zugfahrt die zu Laderäumen umfunktionierten Wagonübergänge. Sie werden Huckepack auf Moped’s und Rikscha’s umgeladen. Das macht uns schon mal etwas stutzig.

Eine Rikscha voll Maiskolben und Knoblauch

Als wir dann aber in Hsipaw aussteigen und sehen wie 300 Ziegen aus dem angehängten Transportwagon getrieben werden, wissen wir, dass das hier keine Großstadt in der Schweiz ist, sondern ein staubiges Nest in Myanmar.

Steigen gerade mehr Menschen oder Ziegen aus dem Zug?

Unsere Mission ist klar: Wir wollen in die Berge, raus aus der Stadt und rein in die Natur. Deshalb haben wir uns auch in dem auf Hochglanz polierten Lily’s Guesthouse einquartiert. Sie bietet nicht nur Hochglanzfußböden, einen gläsernen Aufzug (deutsche Maßarbeit!) und westliches Essen mitten in den Bergen von Myanmar, nein, das Paket bekommt auch noch eine glanzvolle Schleife durch ihr Tourenangebot.

Blick vom Lily's Guesthouse auf Hsipaw

Wir vereinbaren den Start unserer 2-Tageswanderung inklusive Übernachtung in den Bergen für den nächsten Tag und freunden uns erst mal mit der Umgebung an. Zufällig gehören diesmal wieder 2 Deutsche dazu. Deutsche Bekanntschaften sind für uns zwar eher selten. Kurzurlauber von ihrer Arbeit im Ausland treffen wir dagegen recht oft. Zumindest in Myanmar treffen wir ständig Leute, die irgendwas in China machen und damit sehr glücklich sind. Das kann damit zusammenhängen, dass gerade Chinesisches Neujahr ist und alle frei haben. Unsere beiden Zimmernachbarn zum Beispiel arbeiten beide in einer Universität in der Nähe von Peking. Er lehrt Informatik und sie forscht und unterrichtet schon jahrelang im Bereich Kultur und Menschen. Beide erzählen wieder mal von den nicht so optimalen Lehr-Bedingungen in Deutschland und vor allem von der viel spannenderen Umgebung im Ausland. Dazu kommt noch die Bezahlung: „Es langt nicht zum reich werden, aber zum sehr ordentlich leben!“ Solche Gespräche hinterlassen das Thema „Im Ausland arbeiten“ für uns in einem viel besseren Licht. Vor allem klingt das danach alles irgendwie „machbar“.

Wir starten am nächsten Tag früh und treffen unseren Guide für die 2 Tageswanderung. Er heißt Nipal, sieht aus wie 16, ist aber schon 20 und führt vor allem in der Hochsaison immer wieder Gruppen von lauffreudigen Ausländern in seine Berge um Hsipaw. Die kennt er in- und auswendig, weil er Teil eines Bergvolkes ist: den Palau. Von diesen Völkern gibt es in den Bergen von Myanmar einige, unter anderem die Shan und die Karen. Jede von den Gruppen hat mehr oder weniger eine Provinz und kann dort teilweise auch autonome Entscheidungen treffen. Geklärt sind diese Verhältnisse aber noch nicht überall. Wir lernen später von Nipal, dass die derzeitigen Reiseeinschränkungen für Touristen vor allem damit zusammenhängen, dass es noch Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen der unterschiedlichen Völker oder der Völker untereinander gibt. Wie real das alles ist, merken wir spätestens als die vermuteten „Donner“ in der Ferne von Nipal als Bomben enttarnt werden! Er sagt, das sei weit weg, aber nicht so weit. Immerhin sagt er, dass es für die Dörfer sehr gut ist, wenn ständig ausländische Touristen da sind. Dann kommen nämlich die Kämpfer nicht in die Dörfer oder ziehen sich sofort zurück. Sie haben entschieden, dass es ihrer Sache überhaupt nicht förderlich wäre, wenn dabei Ausländer zu Schaden kommen. Beruhigend? Naja, so lala!

Karges Bergpanorama oberhalb von Hsipaw

Unser Weg startet immer leicht ansteigend in die Berge von Hsipaw, nachdem wir im üblichen offenen Pickup ein Stück aus der Stadt heraus gefahren wurden. Nipal spricht sehr gutes „durch-Touristen-trainiertes“ Englisch. Das heißt, er kann nicht nur super erzählen, er wird auch nicht müde unsere Fragen zu beantworten. Über seine Lebensumstände sagt er zum Beispiel, dass sein soziales Auffangnetz die Feldarbeit ist. Er muss jetzt und im Alter hart auf dem Feld arbeiten, wenn er keine andere Arbeit in der Stadt hat und die bekommt er nur mit ausreichender Bildung. Ihm war das klar, seine Schwester wurde von seinem Vater auch gefragt, ob sie lieber auf die weiterführende Schule oder auf das Feld will. Zuerst hatte sie aber keine Lust auf Lernen. Dann hat sie jedoch schnell gemerkt, dass Bauer zu sein doch nicht bedeutet den größten Teil vom Tag in der Sonne zu liegen. Inzwischen geht sie wohl auch wieder zur Schule. Ich denke mal, Kindern in Deutschland den Alltag von der Arbeit vor Augen zu führen, würde enorm zur Motivation oder zumindest zu einer besseren Vorstellung von „der Zukunft“ führen.

Neben dem Chinese Buffalo gibt es immer noch viele Bauern, die Wasserbüffel einsetzen

„Weiterführende Schule“ in Myanmar betrifft übrigens alles, was nach der 5. Klasse kommt. Bis dahin wird inzwischen von der Regierung die Schule kostenlos ermöglicht. Alles, was danach kommt, muss selbst bezahlt werden. In der Realität können das die Menschen aus den Dörfern selten. Deswegen werden die Kinder lieber in ein Kloster geschickt, um dort für eine Weile zu leben und unterrichtet zu werden.

Wie sich herausstellt, ist das Ziel unserer Tour tatsächlich einfach das Heimatdorf von Nipal. Er kennt hier jeden Stein und schwatzt ab und zu kurz mit dem ein oder anderen vorbei fahrenden Dorfbewohner, die mitunter recht pragmatisch mit den schlechten Straßen- und Transportverhältnissen umgehen:

Wenn die Straßen zu klein sind und Laster nicht fahren können, muss eben das "Chinese Horse" herhalten

Die Bewegung durch die immer frischer werdende Bergluft tut uns gut und wir haben viel Zeit zum Gucken. Die Natur um uns herum ist karg und die Trockenzeit deutlich. Laut Nipal kann man sich hier normalerweise kaum vor der Natur retten. Deswegen werden zum Beispiel auch am Ende der Trockenzeit die Pflanzenreste und die Felder abgebrannt und billigend in Kauf genommen, dass die umliegenden Wälder mit in Brand geraten. „Treibt sowieso alles unglaublich schnell wieder aus!“

Trotz der Trockenheit blüht es auf den Berghängen. Wir fühlen uns ein bisschen wie in der Schweiz

Neben den Teeplantagen an den Steilhängen sehen wir als grüne Punkte eigentlich nur die Reisfelder in Terrassenform. „Reichere“ Bauern leisten sich für diese Feldarbeit inzwischen häufiger einen „Chinese Buffalo“ (Traktor) statt den altmodischen Wasserbüffeln. Schon eher bezahlbar ist hier das Ersatz-Pferd: ein „Chinese Horse“ (Motorroller).

Mopedfahren macht jedem Spass. So eng darf man das mit dem Technikverbot ja auch nicht sehen.

Zum Schwatzen haben wir natürlich auch ausreichend Zeit. In unserer Mini-Gruppe lernen wir die beiden Belgierinnen Laure und Lisa kennen. Wir verstehen uns so gut, dass wir immer mal wieder unterbrechen müssen, um doch den Geschichten von unserem „Local“ Nipal zuzuhören. Wie immer fragen wir die beiden natürlich aus, was sie so auf Arbeit machen und erfahren zur Abwechslung mal nur positives. Sie sind beide sehr zufrieden! Unglaublich, aber das soll es ja geben. Sie reden von Freiraum, Verantwortung, guter Bezahlung, vielen Urlaubstagen und so was wie Anerkennung. Ja, das sind die Dinge, über die wir in letzter Zeit immer häufiger reden und lesen!

Am späten Nachmittag kommen wir im Dorf von Nipal an und sind wegen der guten Verpflegung unterwegs (feinste vegetarisch birmanische Hausmannskost: Teeblattsalat, Eintopf und Reis) noch unternehmungslustig. Die Kinder im Dorf sind hier noch etwas schüchtern – das hatten wir heute Mittag schon anders erlebt. Da wurde erst noch versteckt gekichert und geguckt, aber die Hürden sind schnell gefallen und schon waren wir die tollsten Spielkameraden. Große Menschen können kleine Menschen ja sooo toll durch die Gegend wirbeln!

1 2 3 Hop! Große Spielkameraden können kleine so schön durch die Luft wirbeln!

Hier oben im Dorf schauen wir uns dagegen das Kloster an und begegnen zwei kleinen Mönchen, die auf ihren Pritschen im Haus malen. Wir winken durch die Fenster rein und nach ein paar Momenten weichen auch sie auf und zeigen uns ganz stolz ihre Englisch-Hefte. Sie können definitiv schon ganze Sätze schreiben und lesen, aber zum Reden sind sie dann doch zu schüchtern. Entweder freuen sie sich tatsächlich sehr über unser Interesse, oder sie finden uns nur witzig. Kichern tun sie jedenfalls ständig.

Die zwei kleinen schüchternen Mönche. Englisch schreiben können sie, Sprechen trauen sie sich aber nicht wirklich

Am Ende von einem zünftigen Wanderunternehmen fehlt eigentlich nur noch ein Hüttenschmaus und ein Lagerfeuer. Taadaa. Zum Glück werden gerade neben unserer Schlafstätte im Haus eines Dorfältesten Unterkünfte für Saisonarbeiter gebaut und da fallen eine ganze Menge Holzabfälle an, die wir an dem kühlen Abend bei Keksen und langen Gesprächen dankend in Wärme umwandeln.

Schwatzen und schmusen vor unserer "Berghütte" bei rauchigem Grüntee

Nipal hat sogar noch Zeit das Geheimnis, um die Liebe in den Dörfern zu erklären. Direkt und auf offener Straße dürfen die jungen Männer nämlich die Frauen hier nicht umwerben. Stattdessen ist es Brauch, dass man sich ein oder zwei Mitstreiter besorgt und für nachts verabredet, wenn die Eltern der Auserwählten schon schlafen. Dann brechen sie mit einer Leiter bewaffnet zusammen auf, um die Flamme eines jeden zu besuchen. Die Leiter wird angestellt, bei dem Mädel geklopft und dann durch ein kleines Loch in der Bambuswand miteinander geschwatzt bis sie einschläft. Wenn sie doch kein Interesse hat, ist es übrigens auch hier üblich zu sagen, dass sie Kopfschmerzen hat. Dann muss er höflich den Rückzug antreten – so verliert zumindest keiner das Gesicht. Je nach dem kann so ein Schwätzchen schon ein Weile dauern und manchmal muss wohl auch mal ein Stein von der Leiter nach unten geworfen werden, damit der Mitstreiter nicht so laut schnarcht.

Zum Schluss bleibt noch ein gern wiederholter Spruch von Nipal: „Keep smiling!“

7 Kommentare

  1. Beate Ackermann

    Ich grüße euch, da habt ihr ja richtig Kontakt zur einheimischen Bevölkerung gehabt. Toll! Die Bilder sprechen für sich, aber den Bericht habe ich mit Interesse gelesen. Die Landschaft sieht recht karg aus, sind die Erträge da nicht sehr spärlich? Na, vielleicht sind die Eindrücke zur Regenzeit anders. Wie schmeckt der Tee frisch vom Strauch?
    Wächst der Reis unter oder über der Erde? Schön, daß es immer so interessantes Essen gibt.
    Liebe Grüße aus Lauba,Beate.

    • Wow, ziemlich coole „Episode“ auf eurer Reise. 🙂 Danke für den schönen Bericht. Übrigens: Zu genau dem Zug läuft auch gerade eine Doku bei arte: http://www.arte.tv/guide/fr/056821-025-A/360-geo Wart ihr auch auf diesem abgefahrenen Abschnitt unterwegs, auf dem der Zug mehrmals rückwarts fährt, weil die Strecke mit so einer Art Serpentinen gebaut ist? Und über die Brücke da: https://de.wikipedia.org/wiki/Goteik_Viadukt?

      • Also rückwärts gefahren sind wir nicht. Diese Serpentinen gibt es: kurz bevor du über das Viadukt fährst, muss der Zug von den Schienen auf dem Bergkamm runter zu der Brücke.

        Der Zug in Thailand nach Kanchanaburi war dagegen schon luxeriös – zumindest die Schienen waren deutlich besser gewartet. Hier sind wir ja langsam gefahren, weil die Waggons sonst nach links oder rechts raus geflogen wären.
        Viele Grüße,
        Micha

    • Hallo Beate,
      ja der Kontakt zu den Einheimischen war toll. Wir kommen uns da schon ein wenig faul vor, wenn wir das immer nur machen, wenn die Gegenseite Englisch spricht. Nagut, zum Englisch lernen, haben beide Seiten normalerweise mehr Zeit als für die jeweilige Sprache.

      Die Landschaft soll angeblich nur in der Trockenzeit so aussehen, sonst ist es sehr grün und üppig. Den Tee haben wir in Form von Salat bekommen und der ist sehr gut. Hier in den Bergen wird er so aufbereitet, dass er am Ende etwas „rauchig“ schmeckt – ein Tasse Tee war also eher gewöhnungsbedürftig, wenn man nicht gerade Whiskey Erfahrung hat.

      Viele Grüße,
      Micha

  2. Hallo ihr Beiden,

    erklärt mir doch einmal die Funktionsweise der Fahrräder. Das heißt eigentlich wahrscheinlich der Bremsen. Das fiel mir schon in Kenia auf. Ich konnte beim Vorbeifahren mit dem Bus nicht genau deuten was das für komische Kanäle sind, die die an die Nabe des Vorderrades führen. Ihr seid doch da viel näher dran. Und vielen Dank wieder einmal für euren tollen Bericht. Viele Grüße aus der Heimat

    • Hallo,
      Wir sind leider schon nicht mehr vor Ort, persönlich fragen kann ich also nicht mehr. Ich habe mir das Foto aber noch mal in Großaufnahme angesehen und denke es sind keine Kanäle sondern Halterungen für den Lenker. An dem oberen Ende erkenne ich Federn. Ich vermute der Lenker ist zwar durch den Rahmen hindurch mit dem Rad verbunden, aber wie auf einer Federgabel beweglich gehalten. Ich sende es dir noch mal per Mail zu!

      Viele Grüße,
      Micha

      • Hier dürfte es sich um eine so genannte truss fork handeln. Der merkwürdige Aufbau hat dem Vernehmen (und Augenschein) nach tatsächlich keinerlei Funktion, außer cool auszusehen, i.e. die Fuhre ein wenig nach Motorrad aussehen zu lassen.

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