Malaysia und seine würzige Geschichte

Malaysia ist ein gutes Beispiel, wie unterschiedliche Kulturen nicht nur friedlich miteinander leben, sondern sich auch gegenseitig positiv beeinflussen können.
Die Geschichte des Landes ist von Einwanderungswellen und Kolonialisierung geprägt. Deshalb werden heute nahezu alle großen Feste jeder Religion gefeiert und die Küche ist so bunt und abwechslungsreich wie kaum in einem anderen Land.

Nach dem Besuch der Cameron Highland und ausreichend Teegenuss sind wir gerade auf der Insel Penang im Nordwesten von Malaysia. Beim Erkunden der Altstadt von Georgetown in der größten Mittagshitze (wir sind ja erstklassige Touristen) stolpern wir in einer engen Straße mit lauter Lädchen und Restaurants über das einzige Haus, das durch einen weit in die Straße hineinragenden Baum statt durch laute Werbeschildern auffällt. Darin versteckt sich der Laden vom „Tropical Spice Garden“. Gewürze und Kochbücher sind hier akkurat aufgereiht – ganz anders als wir dass von thailändischen Läden gewohnt sind. Aber wir sind ja auch in Malaysia, da ist alles etwas ordentlicher als in Thailand, haben wir den Eindruck.

Wie wir im Laden erfahren, organisiert der „Tropical Spice Garden“ (Tropischer Gewürzgarten) während unserer Zeit in Penang verschiedene interessante Veranstaltungen. Was für ein Zufall, dass gerade ein Vortrag zu den ominösen „Spice Islands“ (Gewürzinseln) nur eine Etage über dem Laden stattfindet und wir uns dort kurz vor Beginn noch reinschleichen können.

Ian Burnet beeindruckt uns mit der Geschichte der „Gewürzinseln“, deren Rolle bei der Kolonialisierung und die Rolle von Malaysia bei dem Ganzen. Wenn einer Ahnung hat, dann er. Er hat nicht nur über Jahre hinweg recherchiert und mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben, sondern segelt auch noch jedes Jahr mindestens ein Mal mit seinem Katamaran und einer zahlenden Crew um diese Inseln im Osten von Indonesien.

Wer mehr über ihn, den Segeltörn und die Gewürzinseln erfahren möchte, kann seinen Blog unter folgender Adresse erreichen (englisch): http://spiceislandsblog.com

Das war mit Abstand die spannendste Geschichtsstunde, die ich je erlebt habe!

Wusstet ihr, dass Muskatnüsse und Nelken ursprünglich nur auf ein paar kleinen Inseln im Osten von Indonesien wuchsen, den Spice Islands?
Wusstet ihr, dass vor der kolonialen Seefahrt im 15. Jhd. exotische Gewürze in Europa nur über den Landweg, nämlich die Seidenstraße, zu bekommen waren?
Wusstet ihr, dass Venedig der zentrale Umschlagplatz von Gewürzen für den europäischen Handel war und dies einen erheblichen Teil zum Reichtum der Stadt beigetragen hat?
Wusstet ihr, dass sich die portugiesischen Seefahrer aus dem Grund auf die Suche nach dem östlichen Seeweg nach Indien begaben, weil sie den Gewürzhandel über den Seeweg unter ihre Kontrolle bringen wollten und damit so reich werden wollten wie Venedig?

In erster Linie ging es den Seefahrern aus Portugal also darum Handel zu treiben und aus den Gewürzen Gold zu machen und nicht um Sklaven oder Landgewinn. Das ist tatsächlich wörtlich zu nehmen, denn damals wurden Muskatnüsse mit Gold aufgewogen.
Vor allem also durch die Seefahrer, die auf der Suche nach exotischen Gewürzen waren, gewann Malaysia als Lager und Handelspartner für Gewürze enorm an Bedeutung.

Wichtige Handelspunkte an der Westküste von Malaysia waren unter anderem die Stadt Malakka im Süden und später eben auch die Insel Penang im Norden und auf ihr speziell die Stadt George Town, die von den Briten stark geprägt wurde. Und weil das bis heute noch sichtbar ist und weiter so bleiben soll, ist die gesamte Stadt Unesco Weltkulturerbe. Wir befinden uns also wieder mal in einem lebendigen Museum. (Wie in der Eisenbahn nach Kanchanaburi)

Und weil sich hier in der Geschichte wohl alles um den Handel mit Gewürzen gedreht hat, gehen wir am nächsten Tag , ihr ahnt es bereits, in den Tropical Spice Garden in der Nähe von George Town um mehr zu erfahren.

Wusstet ihr zum Beispiel, dass Gewürze ursprünglich nicht als Genuss, sondern als Heilmittel benutzt wurden?

Nein? Wir auch nicht. Bis uns ein fachkundiger Führer im Gewürzgarten eine für uns ganz neue Sichtweise auf Gewürze beibringt.

Gewürze waren in Südostasien schon sehr lange bekannt und wurden in Asien auch viel gehandelt. Schon sehr lange bevor Handel mit Europäern getrieben wurde. Allerdings wurden sie nicht nur zum Würzen von Speisen eingesetzt, sondern vor allem nach ihrer Heilwirkung beurteilt und verwendet. Ein Gewürz ist ein Gewürz, wenn es mindestens über drei Sinne den Körper heilen kann: Den Geruch, den Geschmack und durch Auftragen auf die Haut (Tastsinn). Noch bessere Heilpflanzen beziehen alle 5 Sinne mit ein, also auch Sehen und Hören. Um diese Sinne anzusprechen sind spezielle Rituale oder Therapien entwickelt worden, die z.B. mit Klangschalen oder Farb- und Aromatherapie im Zusammenspiel mit den Gewürzen arbeiten.

Somit wurden die Gewürze und Kräuter, die wir kennen, also nicht unbedingt dazu eingesetzt um das Essen besser schmecken zu lassen, sondern Wasser oder den Körper zu desinfizieren und von Parasiten zu befreien (Nelken), Krankheiten und schlechten Gerüchen vorzubeugen (Kardamom) oder auch gegen Epidemien vorzugehen (Muskatnuss). Wie wir erfuhren, ist Muskatnuss wohl auch heute noch das effektivste Mittel, wenn eine Epidemie ausbrechen sollte. Da die nächste Epidemie laut einiger Evolutionsforscher bald kommen muss, wird jetzt auch Muskatnuss verstärkt angebaut. Falls es wirklich in irgendeiner Form dazu kommen sollte, ist die Nuss quasi Gold wert – wie vor 400 Jahren.

Penang ist ein altes Wort für Betelnüsse. Was das ist, dürfte den wenigsten bekannt sein. Die ersten Seefahrer, die auf der Suche nach Abenteuern und Gewürzen waren, kamen nach Penang, um ihre Wasservorräte aufzufüllen und um Betelnüsse von der Insel zu holen.
Warum aber Betelnüsse? Sie haben in einer geringen Dosis eine beruhigende Wirkung und reinigen den Körper. Die jungen Nüsse werden gehackt und einfach im Mund wie Kaugummi gekaut und wirken so vorbeugend gegen Müdigkeit, Seekrankheit und Übelkeit. Äußerst praktisch für die Seefahrer war auch, dass die Nüsse außerdem Wasser desinfizieren, es also von Bakterien und Parasiten befreien.
Aber Achtung! Betelnüsse sind eine Droge, deren belebende Wirkung bei zu hohem Konsum Halluzinationen verursacht und sogar tödlich wirken kann. Mehr zu Betelnüssen bei Wikipedia.

Den gleichen Effekt der Desinfektion haben Nelken übrigens auch. Eine Nelkenknospe genügt für etwa 0,1 l Wasser aus dem Bergflüsschen. Außerdem wirken sie leicht betäubend und entzündungshemmend. Sie waren früher deshalb ein bewährtes Mittel bei allen Arten von Wunden. Auch heute noch werden sie beim Zahnarzt eingesetzt, um tiefe Löcher zu desinfizieren, zu betäuben und damit zu beruhigen.

Muskatnüsse haben in der Medizin ebenfalls einen äußerst hohen Wert. Oft werden sie in Kosmetik oder Medikamenten als geheime Zutat verwendet, weil die ätherischen Öle der Nüsse allumfassend beruhigend wirken: der Duft allein wirkt schon entspannend, auf der Haut sollen sie Ekzeme heilen und Krankheiten im Verdauungssystem lindern. Sie können durch ihren wärmenden Effekt künstliches Fieber erzeugen und damit das Immunsystem bei der Abwehr von Keimen unterstützen. In hohen Dosen erzeugen sie allerdings auch Halluzinationen, weshalb sie z.B. in Saudi Arabien nicht erhältlich sind. In den Anbaugebieten verwendet man alle drei Teile der Frucht: die dicke äußere Schale, das Netz (Macis) und die Nuss. Die höchste Konzentration der wirkungsvollen ätherischen Öle findet man in dem Netz und die geringste in der Schale. Zum Vergleich: Wenn man für eine Familie kocht, benutzt man etwas geraspelte Nuss zum Würzen, wenn man für das ganze Dorf kocht, reicht ein Netz aus.

Am Abend vor dem Besuch im Spice Garden habe ich einen frisch gepressten Saft aus der äußeren Schale getrunken, der eben nach Muskatnuss geschmeckt hat. Am nächsten Tag wurde dann erzählt, dass man davon ziemlich müde werden kann, wenn man das nicht gewöhnt ist. Ich hatte es einfach darauf geschoben, dass es schon spät war 🙂

Muskatnüsse wachsen übrigens nur in wenigen Gebieten auf der Welt. Auf Penang kommen sie aber natürlich vor und von hier sollen die Muskatnüsse in der besten Qualität weltweit kommen. Die Nüsse, die wir gesehen haben, bestätigen das: doppelt so groß wie in Deutschland, dunkelbraun, glänzend und die Einkerbungen durch das Netz sind deutlich sichtbar. Wir haben Ende November ein paar nach Deutschland geschickt, mal sehen, wann sie ankommen, oder ob der Zoll sie lieber selbst behält.

Ich wette, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, dass sie über die Gewürze in ihren selbst gekochten Gerichten natürliche Medizin zu sich nehmen, die keine Nebenwirkungen hat, sondern den Körper einfach nur in seinen natürlichen Funktionen unterstützt.

Auch in Deutschland benutzen wir typische Kräuter und Gewürze in unseren traditionellen Gerichten. Dabei dürfte die Verwendung von Kräutern wesentlich älter sein als die von Pfeffer oder anderen Gewürzen. Aber auch sie können auf den Körper einen heilenden Effekt haben.

Welche Gerichte kommen bei euch nicht ohne Kräuter aus? Welche Wirkungen haben de Kräuter, die ihr verwendet? Welche Gewürze dürfen bei euren Gerichten nicht fehlen? Teilt mit uns in den Kommentaren, wie eure Hexen- äh Kräuterküche aussieht.

Zum Schluss noch ein Spruch von Hippokrates, weil er gerade so gut passt:

Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.

6 Kommentare

  1. Ja ich kenne jemanden der hat mal die muskat nuesse (3) gerieben und konsomiert. der war richtig breit. Vielleicht mit einer anfangen und dann hoch arbeiten.

    Aber danke maria fuer die gewuerz geschichte

    Gruesse aus Karratha.

    • Hallo Peterchen 🙂
      Das sind dann also doch nicht nur Gerüchte, die so erzählt werden.
      Ich wäre damit vorsichtig. Man weiß nie, wieviel von den „Wirkstoffen“ in einer Nuss enthalten ist. Das muss wohl stark variieren.

      Was wächst eigentlich in der Wüste bei euch so?

  2. Ich schließe mich mal der Tee-Frage an: Wie schmeckt der direkt vor Ort? Wie bei uns oder doch ganz anders?

    • Hi Martin,
      bei den Plantagen in Malaysia produzieren sie nur schwarzen Tee. Bilder dazu gabs im Artikel zu den Cameron Higlands

      Wie überall produzieren sie den natürlich in unterschiedlichen Qualitäten. Der, den wir probiert haben, war nciht bitter und angenehm aromatisch. So einen Tee bekommt man bei uns aber auch, wenn man auf die Qualität achtet.

      Micha hat sich allerdings wirklich guten grünen chinesischen Tee in Georgetown von einem chinesischen Teehändler gekauft. Der ist laut Verkäufer auch nach 20 Mal aufgießen noch aromatisch.
      Wenn wir wieder mal einen Wasserkocher im Zimmer haben, wird wieder Tee zelebriert 🙂

  3. Willkommen im Rest des Jahres!
    Ja, die Muskatnus… habe ich heute erst über den Rosenkohl gerieben. Es hat wundervoll geduftet und auch geschmeckt. Wenn ich jetzt weiß, wie gut sie für die Gesundheit ist, werde ich sie in Zukunft öfter verwenden.
    Ich kenne die Muskatnus als Zutat in den Nervenkeksen von Hildegard von Bingen. Die wirken ganz gut bei Arbeiten und Prüfungen.
    Unsere heimischen Kräuter werden oft auch dort verwendet, wo sie nicht nur würzen, sondern auch bei der Verdauung helfen zB. Kümmel und Majoran. Aber auch Pflanzen wie Rosmarin, Thymian und Wermut sind bekannt und werden zu medizienischen Zwecken verwendet.

    Konntet ihr den Tee auf der Plantage probieren?
    Bei den indischen Gerichten bekommt man gleich Appetit!
    Viele Grüße und weiterhin viel Spaß
    Beate.

    • Ach ja, die gute Muskatnuss.
      Ich muss da immer an Blumenkohl mit Tomatensoße und Käse denken. Dazu Kartoffelpüree. Blumenkohl und Kartoffelpüree schmecken mit Muskatnuss erst richtig gut 🙂

      Den Tee konten wir probieren. Allerdings wird in Malaysia nur schwarzer Tee hergestellt (deshalb benutzen sie Maschinen, um die Blätter zu rollen und aufzubrechen). Vielleicht läuft euch mal die Marke „BOH“ über den weg? Der ist von der Plantage, wo wir waren. Ich fand den Earl Grey sehr gut. Gar nicht bitter und auch ohne Milch und Zucker sehr angenehm.

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