Mandalay – Königsstadt oder chaotischer Sitz der Militärregierung? Wir wollen sehen, was uns diese Stadt über die Geschichte von Myanmar erzählen kann. Laut dem Reiseführer besitzt Mandalay nicht mehr viel von seinem alten Glanz. Trotzdem wollen wir uns zumindest mal angucken, wie und wo König Thibaw von Burma früher gelebt hat.
Das Stadtzentrum wird bestimmt vom dem 4 km² großen Palastgelände. Aus Furcht vor Intrigen und Anschlägen der eigenen Leute hat er das Gelände nach dem Einzug nicht mehr verlassen. Verständlich, denn wie der König an die Macht kam, ist eine verstörende und ganz andere Geschichte (siehe z.B. englisches Wikipedia zu Thibaw). In seinem goldenen Käfig blieb er, bis ihn die Engländer 1885 absetzten und ins Exil schickten. Während des zweiten Weltkriegs hatte kurz Japan die Gewalt über das Land, 1945 wurde es aber wieder in das Kolonialreich von Großbritannien eingegliedert. 1948 verließen zwar die Briten das Land wieder, taten aber nichts, um es stabil zu halten. Deshalb finden seit dem ständig bewaffnete Auseinandersetzungen in verschiedenen Teilen des Landes statt. Die Mititärregierung, die sich daraufhin gebildet hat, schlug Proteste immer wieder gewaltsam nieder. Das Palastgelände ist immer noch Sitz des Militärs und Fotos sind deswegen auf dem Weg zum Palast nicht erlaubt. Doch wir besuchen Myanmar in einer Zeit des Umbruchs – diesmal ein positiver Wandel für das Land. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat es endlich geschafft, durch Neuwahlen mit ihrer Oppositionspartei das Sagen im Parlament zu haben.
Viele empfehlen zum besseren Verständnis der Geschichte den Roman „Der Glaspalast“ von Amitav Gosh. Wir sind allerdings vom Schreibstil und dem Informationsgehalt ab der zweiten Hälfte nicht so begeistert. Aktuellere Informationen findet man besser auf Wikipedia oder anderen Blogs.
Der Palast wird im Roman fantastisch ausgeschmückt und voller Glanz beschrieben. Der „Glaspalast“ ist dabei nur ein Gebäude des weitläufigen Palastkomplexes. Der Name kommt von den Spiegelmosaiken, die früher alle Wände und Decken im Palast bedeckt haben sollen und so für eine ganz besondere Atmosphäre gesorgt haben müssen. Heute sind leider nur noch Kulissen wieder aufgebaut, denn die eigentlichen Teakholz-Gebäude sind im 2. Weltkrieg restlos abgebrannt. Das Gelände wurde während und nach dem Krieg erst von dem englischen und später vom burmesischen Militär genutzt.
Dem Eigentümer unseres Frühstückscafés erzählen wir, wo wir hingehen wollen und da meint er „Ah, to the green monkeys?“. Der Kosename „grüne Affen“ für die Militärs steht sicher für mehr als nur ein Gefühl. Unser Eindruck ist, dass die meisten Leute, die wir treffen, froh sind, dass das Militär durch den Regierungswechsel nun nicht mehr so viel Einfluss haben wird. Eine gewisse Erleichterung ist zu spüren. Andere waren ehemalige Soldaten und reden heute noch stolz von den Kämpfen gegen Rebellen: „I got shot three times!“. Aber auch sie sprechen positiv über den Regierungswechsel. Das Bild von Land und Leuten wird während unserer Zeit in Myanmar nie wirklich scharf. Wie auch? Es ist ein Vielvölkerstaat, der sich nach einer 60-jährigen Militärdiktatur im Umbruch befindet. Wie war das, als Deutschland sich 1989 in einem ähnlichen Umbruch befand? Was wird wohl noch alles passieren, wenn die Macht im März tatsächlich an die gewählte Regierung übergeben wird? Wir sind gespannt! Die 15 € Eintritt für den Palast plus das Geld für die Mopedtaxis rein und raus lohnen sich aber definitiv nicht.
Mandalay Hill
Nach dem Palast wollen wir den Lokalberg von Mandalay hoch und natürlich wieder zu Fuß. Das versteht hier kein Mensch und Taxifahrer schon gar nicht: „Very long, very long!“, „Yes, we know! No Taxi, thank you“. Während dem einstündigen Aufstieg vermissen wir keine Minute lang Getränke oder Essen, es gibt schließlich ungefähr 1000 Händler mit dem gleichen Sortiment. Oben angekommen, könnten wir uns zwar die Zukunft aus der Hand vorhersehen lassen, aber sonst sehen wir nicht viel von der Umgebung. Es ist sehr diesig und wir fragen uns, ob es an der feuchten Luft oder eher an den beliebten abendlichen Plastikmüll-Verbrennen liegt. Auf dem Mandalay Hill befindet sich auf der Spitze ein Tempel, der über und über mit Spiegelmosaiken geschmückt ist. Ein Besuch ist gut, um sich den Glaspalast besser vortellen zu können, aber die Händler drum herum machen vieles vom Eindruck kaputt. Da machen wir lieber Fotos von unserem dekorativen Sonnenschutz. Auch hier lohnen sich also der Aufstieg und Eintritt nicht sonderlich.
Für uns viel interessanter ist der Rückweg vorbei an der Klosterschule am Berg durch die kleinen weniger touristischen Straßen von Mandalay. Eigentlich wollen wir uns dort heimlich durchschleichen und gucken wie hier so die „normalen“ Leute leben. Aber die sehen Touristen hier auch nicht sehr oft und damit sind wir eher die Attraktion. Auch nicht schlimm, dann glotzen wir eben immer mit einem freundlichen Lächeln! Da freuen sich beide Seiten.
Diese kleine Tour ist definitiv das beste an Mandalay. Wir sehen Menschen, die sich traditionell im Longyi oder Sarong am Brunnen waschen, kleine Gruppen von jungen Männer, die Sepak Takraw spielen (ein bisschen wie Hacky-Sack, Ziel ist es einen Ball aus geflochtenen Bambus so lange oben zu behalten wie möglich, meistens alles sehr akrobatisch) und quasi an jeder Ecke sehen wir Burmesen, die ein Schwätzchen mit wem auch immer halten. Ganz oft sind nicht nur die kleinen Kinder neugierig und werfen uns einen irgendwo aufgeschnappten Brocken Englisch zu („Hellooo“, „I love youuu“, „Where are you from?“), sondern auch die Erwachsenen.
Palast, Mandalay Hill und ein bisschen Leute beobachten. Als eigenständige Tour hat uns das für einen Tag gereicht, für die bekannteren Sachen um Mandalay herum, brauchen wir dann doch einen Fahrer. „Zufällig“ hat uns der Taxifahrer, der uns am Morgen vom Busbahnhof zum Hotel gebracht hat, die „übliche“ Tagestour beschrieben und wir haben sein Angebot angenommen uns am nächsten Tag früh abzuholen.
Die übliche Tagestour durch Mandalay
Als erstes fahren wir zur zweitheiligsten Pilgerstätte in Myanmar, dem Mahamuni Buddha. Über und über mit Goldplättchen beklebt, sieht er inzwischen aus wie ein pockiger Goldklumpen.
Wir fragen natürlich unseren Fahrer warum der denn so heilig ist, aber leider kann er neben der Beschreibung der Tour nicht viel Englisch. Später erzählt uns jemand, dass diese Statue schon zu Zeiten des letzten lebenden Buddha (Gautama) in Auftrag gegeben wurde. Als sie ihm dann während seines Besuches präsentiert wurde, lächelte er und hauchte die Statue an. Danach veränderte sie sich so, dass sie dem echten Buddha vollkommen gleich war. Deswegen wird auch heute noch zur Verehrung Gold überall außer im Gesicht angeklebt. Anfassen und nah ran gehen ist übrigens nur für Männer erlaubt.
Danach werden wir zu einem größeren Kloster außerhalb der Stadt gefahren und „dürfen“ der Mönchsfütterung beiwohnen. Eigentlich hat das tägliche Sammeln von Gaben im frühen Morgengrauen eine stille und etwas erhabene Atmosphäre. Hier aber werden wir Teil einer Masse, die sich um den Eingang zum Essenssaal versammelt hat, um die Schlange der wartenden Mönche zu begaffen und mit Megateleskop-Kameras zu beklicken. Wir fühlen uns sehr unwohl diese Tourismus-Auswüchse zu unterstützen, vor allem, weil es eher wie im Zoo ist und die „Magie“ sich hier definitiv an einem sehr dunklen Ort verkrochen hat. Deswegen kein Foto davon, dafür aber eines, um die unterschiedlichen Sicherheitsvorstellungen für Babys im Straßenverkehr von Myanmar zu verstehen:
Der Ausflug zu der kleinen Insel Inwa, auf der frühere Königreiche Burma’s ihre Hauptstadt hatten, ist dann wesentlich besser. Alles, von der Motorbootfähre bis hin zu dem gepflasterten Feldweg mit einer Herde Ziegen, hat einen nostalgischen Anstrich und ganz wichtig dabei sind die „hor se car“ („Horse cart“). Alte Einspänner-Pferdekutschen, die einem sehr sehr dringend nahe gelegt werden, um die Rundtour mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten genießen zu können.
„Very far, very faaaar“ (sehr weit, sehr weit!) hören wir etwa 100 mal während wir uns an den Kutschen und ihren Häschern vorbei schlängeln. Ja, wir wissen, dass die Runde ca. 5 km lang ist und wir wollen tatsächlich lieber laufen. Den Menschen hier auf die Finger und in die Gärten zu schauen, ist nämlich wesentlich spannender als alle eingefallenen Tempel und Palastanlagen zu sehen. Immerhin, das aus Teakholz gefertigte Kloster Bagaya finden wir sehenswert. Es war urprünglich ein Teil des Palastes und da alle anderen verbrannt sind, ist es das einzige erhaltene Gebäude davon.
Zum Abschluss des Tages fahren wir noch mit all den anderen Tagesauflüglern, die auch die „übliche“ Tour machen, zur „längsten“ Teakholz-Brücke der Welt: Die U Bein Brücke.
Sehr fotogen und jetzt schon sehr sehr überlaufen. Wir genießen zwar auch den malerischen Sonnenuntergang, aber das stete Klicken und die mit Läden und Restaurants überladene Ufer-„Promenade“ bringen uns auf den Gedanken, dass wir möglicherweise nicht weiter der „üblichen“ Tour durch Myanmar folgen wollen. Nach der müssten wir nämlich morgen in Richtung Inle-See starten, eine 2-Tageswanderung machen und dann den gefälschten traditionellen Fischern von unserem Boot aus bei ihrer Schauspielerei zusehen. Dazu sagen wir einfach mal „nö!“. Wir wollen zwar wandern, aber nicht mit einer Gruppe von 500 anderen Leuten, die den gleichen Weg nehmen. Deswegen entscheiden wir uns für einen noch nicht ganz so ausgetrampelten Pfad und besorgen uns Tickets für ein Sammeltaxi, das uns nach Pyin O Lwin, dem ehemaligen Sommersitz der britischen Besatzer in Mandalay, bringen wird.
In welchem Moment ist dir das letzte Mal klar geworden, dass du einer von hunderten anderen Touristen bist?