Maria: 10 Tage Meditationstraining führen zu sich selbst

[:de]Für 10 Tage folgten wir im Meditations-Retreat in Suan Mokkh strikt dem noblen 8-teiligen Pfad des Buddha:

Ich beabsichtige …

1. keinen Atem zu nehmen (nicht töten: veganes Essen ist selbstverständlich, aber auch keiner Mücke oder anderem Wesen darf Leid angetan werden)

2. nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben wird (nicht stehlen, aber z.B. auch keine Früchte vom Baum nehmen)

3. meinen Geist und meinen Körper frei von sexuellen Aktivitäten zu halten

4. andere nicht durch Worte zu verletzen (daher das Schweigen)

5. mein Bewusstsein nicht durch Mittel zu schaden, die den Körper vergiften und zu unvorsichtigem Verhalten führen

6. zwischen Mittag und Sonnenaufgang nichts essen (d.h. 2 Mahlzeiten täglich 8:00 Uhr und 12:30 Uhr)

7. nicht zu tanzen, zu singen, Musik zu spielen oder zu hören, Serien zu schauen, Schmuck oder Ornamente zu tragen (wahrscheinlich sind Hennatattoos gemeint) und mich mit Parfüm oder Kosmetik zu verschönern

8. nicht auf luxuriösen Betten zu schlafen oder Sesseln sitzen (deshalb gibt es für uns ein Bett aus Beton mit Bambusmatte und Holzkissen)

Für ein besseres Verständnis meiner Erfahrungen, lest ihr am besten erstmal die Rahmenbedingungen zum Retreat

–– Niemand hat gesagt, dass es einfach wird. ––

Was heißt „Retreat“ eigentlich? Es kommt aus dem Englischen und heißt soviel wie Rückzug, Rückzugsgebiet, Einkehrt, Zuflucht oder Zufluchtsort.
Ihr fragt euch vielleicht, wovor man Zuflucht suchen muss. Jeder hat schließlich ein Zuhause, in dem er sich hoffentlich wohlfühlt und Familie und Freunde, die einem zusätzlich das Gefühl geben in Sicherheit aufgehoben zu sein. In Deutschland ist das ganz normal, in anderen Ländern nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Warum also Zuflucht suchen, wenn es mir doch gut geht und ich mich sicher fühlen kann? Welche Art Zuflucht soll das sein?
Kurz beschrieben: Suan Mokkh gibt allen die Möglichkeit das normale, vom Menschen beeinflusste, Leben hinter sich zu lassen und für ein paar Tage zu spüren, was es eigentlich heißt, mit der Natur verbunden zu leben. Dort gibt es keine technischen Geräte, kein Internet, kein Radio, keine Bücher (bis auf ein paar buddhistische Leerbücher), vor allem aber auch nicht die Kultur und die anderen Menschen, mit all ihren Verpflichtungen, Erwartungen und Wünschen. In dem Kloster konnten auch wir all diese lästigen Angewohnheiten loslassen und sehen, wer wir sind und wie wir uns verhalten, wenn der Einfluss von außen wegfällt.
Unsere einzige Verpflichtung in der ganzen Zeit war es, Meditieren zu üben. In unserem eigenem Tempo, auf unsere eigene Art und Weise zu Erkenntnissen zu kommen oder auch nicht.
Ich konnte mich in dieser kurzen Zeit selbst besser kennenlernen, konnte sehen und vor allem spüren, was ich in meinem Kopf anstelle und wie mein Körper darauf reagiert. Ich habe angefangen, meinen Körper als Werkzeug zu sehen. Als Werkzeug, um die Welt wahrzunehmen, um mich selbst auszudrücken und auch, um wahrzunehmen, was gerade in meinem Geist vorgeht.

Damit bin ich natürlich erst am Anfang aber trotzdem könnten auch für euch ein paar meiner Erkenntnisse hilfreich sein. Ich habe in den 10 Tagen jedenfalls oft gedacht: Hätte mir das mal jemand eher gesagt!

Selbstgespräche können helfen

In mir gibt es zwei Stimmen. Eine kleine laute, die normalerweise immer aktiv ist, kurzfristige Entscheidungen trifft, mich zu Dingen drängt oder mich von ihnen abhält. Diese Stimme ist sehr emotional und spricht unheimlich schnell – und laut.

Dann gibt es noch die andere Stimme. Sie ist groß, leise und sehr langsam. Sie schaut normalerweise nur zu, was die kleine Stimme so macht und schüttelt manchmal den Kopf, wenn es zu emotional oder zu stressig wird. Sie ist aber zu langsam, als dass sie ins Geschehen eingreifen könnte.

Im Retreat habe ich das erste Mal bewusst diese Trennung wahrgenommen und erkannt, dass die Größe der Stimmen mit ihrer Weisheit und ihrem Weitblick zusammenhängt.

Es war auch das erste Mal, dass die kleine laute Stimme mich so stark sabotiert, dass ich mich hingesetzt und die große langsame Stimme mit der kleinen reden lassen habe. Das Verhältnis ist ein bisschen, wie wenn die weise Oma mit dem wilden kleinen Kind beschwichtigend redet. Egal wie merkwürdig sich das anhört. Ich bin dadurch ruhiger geworden und spürbar entspannter. Ich konnte mich danach beim Meditieren endlich wieder auf einen Gedanken konzentrieren.

Mentaler Druck führt zu physischen Schmerzen

Für mich war das eigentlich keine neue Erkenntnis, aber so deutlich, wie im Retreat, habe ich das noch nie erlebt. Die Erkenntnis hat zwei Teile:

  1. Druck mag in unserer normalen Wahrnehmung von außen kommen, aber eigentlich machen wir ihn uns selber.
  2. Länger anhaltende geistige Zustände führen zu körperlichen Symptomen.

Ich habe mich nach ein paar Tagen gefragt, warum ich so verspannt bin und es nicht besser, sondern schlechter wird. Das erschien mir nicht logisch, weil es beim Meditieren zuallererst darum geht den Körper in eine Position ohne Anspannung im Rücken zu bringen, um sich völlig auf die Dinge im Geist konzentrieren zu können und nicht noch auf irgendwelche Muskeln achten zu müssen. „Der Körper kümmert sich um sich selbst, wenn ihr ihn lasst“. Dann konnte ich bei mir beobachten, dass ich unbedingt Ergebnisse sehen wollte. Ich wollte beim Meditieren gut sein und mich gut konzentrieren können. Das ist total absurd! Keiner(!) verlangt irgendwelche Ergebnisse bei diesem Retreat. Und wenn ich von der Konzentration Rückenverspannungen und -schmerzen bekomme, habe ich es schlichtweg übertrieben. Der Druck konnte im Retreat nur von mir kommen!

Diese Zeichen waren vom Körper wirklich überdeutlich, aber gesehen, habe ich sie erst nach ein paar Tagen. Immerhin. Ab jetzt achte ich genauer darauf, was mir mein Rücken zu sagen hat.
Ein weiteres Beispiel kommt von einer anderen Teilnehmerin. Sie hatte schon immer etwas Ausschlag auf der Haut, aber während des Retreats wurde es immer schlimmer. Interessant war da der Hinweis, dass sich unterdrückter Ärger so äußern kann. Und wie bei mir, hat auch ihr Körper im Retreat die Möglichkeit gehabt deutlicher zu reagieren als sonst.

Du bekommst mehr von dem, auf was du dich konzentrierst

Für mich wurde das klar, als meine Rückenschmerzen immer schlimmer wurden und ich eigentlich nicht mehr meditieren konnte, weil ständig irgendetwas weh tat. Da kam plötzlich von einem unserer Meditationslehrer genau die Information, die ich gebraucht hatte: „Wenn du dich auf den Schmerz konzentrierst, wirst du Schmerzen haben.“

Da steckt so viel Wahrheit drin. Versucht mal euch nach einer langen Wanderung auf den Schmerz in euren Beinen zu konzentrieren und ihr werdet schon sehen, wie schnell er weg geht – nicht.
Meine Gedanken sind die ganze Zeit um meine Rückenschmerzen gekreist. Wenn ich sie ausblenden konnte und mich auf einen imaginären Gegenstand in der Meditation konzentrieren konnte, habe ich davon nichts mehr gespürt – gar nichts mehr.

Gefühle beeinflussen dein Denken und deinen Körper stärker als du denkst

Meine Rückenschmerzen machten mir echt schlechte Laune. Ich wollte meditieren, konnte aber nicht, weil ich bei der geringsten Bewegung wieder Schmerzen hatte. Das hat mich verrückt gemacht! Das miese Gefühlt hielt aber noch nach der 30 minütigen Meditationssession an und führte dazu, dass sich meine Gedanken auch in anderen Bereichen weiter in eine Abwärtsspirale bewegten. Außerdem war ich nicht im Hier und Jetzt und habe mir Gedanken über Vergangenes gemacht und mich über Dinge oder Zustände geärgert, die längst passiert sind und auf die ich jetzt keinen Einfluss mehr habe.
Ich konnte aber auch bewusst positiv Einfluss nehmen. Wir konnten uns in einer speziellen Art von Konzentrationsmeditation üben, der Liebe- und Freundlichkeitsmeditation (Love and Kindness meditation). Dabei konzentriert man sich auf das Gefühl von Liebe und versucht es größer, glänzender und strahlender zu machen. Der ganze Körper ist dann erfüllt von dieser warmen Energie und dieses starke Gefühl hält noch viel länger an als es jede schlechte Gefühl tun könnte. Ich habe mich währenddessen und danach sehr leicht gefühlt. Hatte keine Rückenschmerzen mehr, war glücklich, zufrieden, sorgenfrei. All das hilft beim Einschlafen, also am besten vor dem Einschlafen noch mal kurz auf das Gefühl von Liebe konzentrieren und ihr werdet friedlich schlummern 🙂

In diesem Gefühlszustand hatte ich auch keine Angst mehr und habe mich frei gefühlt, so als ob ich alles erreichen könnte, was ich mir vornehme. Ich war mehr im Hier und Jetzt und die Gedanken gingen eher in die Zukunft und zu den Möglichkeiten, die ich habe, wenn ich sie nur ergreifen würde. Im Retreat ging das natürlich nicht, aber wenn ich mal wieder einen Motivationsschub brauche, werde ich auf diese Meditation zurückgreifen.

Gefühle sind kontrollierbar

Bei diesen intensiven Gefühlen habe ich mich oft wie in einer Achterbahn gefühlt. Zwei Stunden mies drauf, dann wieder ok, dann super glücklich und wieder von vorn.

In einem Moment großer Anspannung und nahe an einem Nervenzusammenbruch, riet mir ein Mönch tief ein- und auszuatmen und mich erstmal auf den Atem zu konzentrieren. Mein Geist wurde nach ein paar Atemzügen schon ein wenig ruhiger. Dann kam für mich noch der entscheidende Hinweis: „Lass alle deine Gefühle los“. Mir hat das geholfen, weil ich dann noch mal nachgesehen habe, was noch da ist und den Rest bewusst losgelassen habe.

Erst dann habe ich eine kühle Brise im Kopf gefühlt und alle Wolken, die dort vorher waren, waren weg. Mein Kopf war leer und leicht. Die Anspannung in meinem Körper lies auch nach, als ob sie aus mir herausfließen würde.

Wahrscheinlich brauchte ich diesen intensiven Gefühlsausbruch und die Anspannung, damit ich den Effekt von Anapanasati wirklich klar und deutlich spüren konnte.

Selbst eine Stunde später bei der nächsten Meditation war das Bild in meinem Kopf sehr klar und meine Konzentration besser als je zuvor.

Fazit

Mal so richtig zu leiden kann niemand von selbst wollen. In diesem Retreat passiert das von ganz alleine, ob man will oder nicht. Daraus lernt man aber am meisten. Wäre es nicht so, hätte ich diese Erfahrungen auch in meinem normalen Lebenswandel machen können und wir alle hätten keine Probleme mehr. Wir brauchen solche intensiven Erfahrungen, um wirklich wahrzunehmen, wie wir funktionieren.

Deshalb: Nehmt euch die Zeit für euch selbst – egal ob in Suan Mokkh oder irgendwo anders, wo man nicht in einem Betonbett schlafen muss. Es ist vielleicht nicht lebensverändern aber ihr lernt euch selbst mit Sicherheit ein Stück besser kennen – und das ist unbezahlbar.[:en]Für 10 Tage folgten wir im Meditations-Retreat in Suan Mokkh strikt dem noblen 8-teiligen Pfad des Buddha:

Ich beabsichtige …

1. keinen Atem zu nehmen (nicht töten: veganes Essen ist selbstverständlich, aber auch keiner Mücke oder anderem Wesen darf Leid angetan werden)

2. nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben wird (nicht stehlen, aber z.B. auch keine Früchte vom Baum nehmen)

3. meinen Geist und meinen Körper frei von sexuellen Aktivitäten zu halten

4. andere nicht durch Worte zu verletzen (daher das Schweigen)

5. mein Bewusstsein nicht durch Mittel zu schaden, die den Körper vergiften und zu unvorsichtigem Verhalten führen

6. zwischen Mittag und Sonnenaufgang nichts essen (d.h. 2 Mahlzeiten täglich 8:00 Uhr und 12:30 Uhr)

7. nicht zu tanzen, zu singen, Musik zu spielen oder zu hören, Serien zu schauen, Schmuck oder Ornamente zu tragen (wahrscheinlich sind Hennatattoos gemeint) und mich mit Parfüm oder Kosmetik zu verschönern

8. nicht auf luxuriösen Betten zu schlafen oder Sesseln sitzen (deshalb gibt es für uns ein Bett aus Beton mit Bambusmatte und Holzkissen)

Für ein besseres Verständnis meiner Erfahrungen, lest ihr am besten erstmal die Rahmenbedingungen zum Retreat

–– Niemand hat gesagt, dass es einfach wird. ––

Was heißt „Retreat“ eigentlich? Es kommt aus dem Englischen und heißt soviel wie Rückzug, Rückzugsgebiet, Einkehrt, Zuflucht oder Zufluchtsort.
Ihr fragt euch vielleicht, wovor man Zuflucht suchen muss. Jeder hat schließlich ein Zuhause, in dem er sich hoffentlich wohlfühlt und Familie und Freunde, die einem zusätzlich das Gefühl geben in Sicherheit aufgehoben zu sein. In Deutschland ist das ganz normal, in anderen Ländern nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Warum also Zuflucht suchen, wenn es mir doch gut geht und ich mich sicher fühlen kann? Welche Art Zuflucht soll das sein?
Kurz beschrieben: Suan Mokkh gibt allen die Möglichkeit das normale, vom Menschen beeinflusste, Leben hinter sich zu lassen und für ein paar Tage zu spüren, was es eigentlich heißt, mit der Natur verbunden zu leben. Dort gibt es keine technischen Geräte, kein Internet, kein Radio, keine Bücher (bis auf ein paar buddhistische Leerbücher), vor allem aber auch nicht die Kultur und die anderen Menschen, mit all ihren Verpflichtungen, Erwartungen und Wünschen. In dem Kloster konnten auch wir all diese lästigen Angewohnheiten loslassen und sehen, wer wir sind und wie wir uns verhalten, wenn der Einfluss von außen wegfällt.
Unsere einzige Verpflichtung in der ganzen Zeit war es, Meditieren zu üben. In unserem eigenem Tempo, auf unsere eigene Art und Weise zu Erkenntnissen zu kommen oder auch nicht.
Ich konnte mich in dieser kurzen Zeit selbst besser kennenlernen, konnte sehen und vor allem spüren, was ich in meinem Kopf anstelle und wie mein Körper darauf reagiert. Ich habe angefangen, ihn als Werkzeug zu sehen. Als Werkzeug, um die Welt wahrzunehmen, um mich selbst auszudrücken und auch, um wahrzunehmen, was gerade in meinem Geist vorgeht.

Damit bin ich natürlich erst am Anfang aber trotzdem könnten auch für euch ein paar meiner Erkenntnisse hilfreich sein. Ich habe in den 10 Tagen jedenfalls oft gedacht: Hätte mir das mal jemand eher gesagt!

Selbstgespräche können helfen

In mir gibt es zwei Stimmen. Eine kleine laute, die normalerweise immer aktiv ist, kurzfristige Entscheidungen trifft, mich zu Dingen drängt oder mich von ihnen abhält. Diese Stimme ist sehr emotional und spricht unheimlich schnell – und laut.

Dann gibt es noch die andere Stimme. Sie ist groß, leise und sehr langsam. Sie schaut normalerweise nur zu, was die kleine Stimme so macht und schüttelt manchmal den Kopf, wenn es zu emotional oder zu stressig wird. Sie ist aber zu langsam, als dass sie ins Geschehen eingreifen könnte.

Im Retreat habe ich das erste Mal bewusst diese Trennung wahrgenommen und erkannt, dass die Größe der Stimmen mit ihrer Weisheit und ihrem Weitblick zusammenhängt.

Es war auch das erste Mal, dass die kleine laute Stimme mich so stark sabotiert, dass ich mich hingesetzt und die große langsame Stimme mit der kleinen reden lassen habe. Das Verhältnis ist ein bisschen, wie wenn die weise Oma mit dem wilden kleinen Kind beschwichtigend redet. Egal wie merkwürdig sich das anhört. Ich bin dadurch ruhiger geworden und spürbar entspannter. Ich konnte mich danach beim Meditieren endlich wieder auf einen Gedanken konzentrieren.

Mentaler Druck führt zu physischen Schmerzen

Für mich war das eigentlich keine neue Erkenntnis, aber so deutlich, wie im Retreat, habe ich das noch nie erlebt. Die Erkenntnis hat zwei Teile:

  1. Druck mag in unserer normalen Wahrnehmung von außen kommen, aber eigentlich machen wir ihn uns selber.
  2. Länger anhaltende geistige Zustände führen zu körperlichen Symptomen.

Ich habe mich nach ein paar Tagen gefragt, warum ich so verspannt bin und es nicht besser, sondern schlechter wird. Das erschien mir nicht logisch, weil es beim Meditieren zuallererst darum geht den Körper in eine Position ohne Anspannung im Rücken zu bringen, um sich völlig auf die Dinge im Geist konzentrieren zu können und nicht noch auf irgendwelche Muskeln achten zu müssen. „Der Körper kümmert sich um sich selbst, wenn ihr ihn lasst“. Dann konnte ich bei mir beobachten, dass ich unbedingt Ergebnisse sehen wollte. Ich wollte beim Meditieren gut sein und mich gut konzentrieren können. Das ist total absurd! Keiner(!) verlangt irgendwelche Ergebnisse bei diesem Retreat. Und wenn ich von der Konzentration Rückenverspannungen und -schmerzen bekomme, habe ich es schlichtweg übertrieben. Der Druck konnte im Retreat nur von mir kommen!

Diese Zeichen waren vom Körper wirklich überdeutlich, aber gesehen, habe ich sie erst nach ein paar Tagen. Immerhin. Ab jetzt achte ich genauer darauf, was mir mein Rücken zu sagen hat.
Ein weiteres Beispiel kommt von einer anderen Teilnehmerin. Sie hatte schon immer etwas Ausschlag auf der Haut, aber während des Retreats wurde es immer schlimmer. Interessant war da der Hinweis, dass sich unterdrückter Ärger so äußern kann. Und wie bei mir, hat auch ihr Körper im Retreat die Möglichkeit gehabt deutlicher zu reagieren als sonst.

Du bekommst mehr von dem, auf das du dich konzentrierst

Für mich wurde das klar, als meine Rückenschmerzen immer schlimmer wurden und ich eigentlich nicht mehr meditieren konnte, weil ständig irgendetwas weh tat. Da kam plötzlich von einem unserer Meditationslehrer genau die Information, die ich gebraucht hatte: „Wenn du dich auf den Schmerz konzentrierst, wirst du Schmerzen haben.“

Da steckt so viel Wahrheit drin. Versucht mal euch nach einer langen Wanderung auf den Schmerz in euren Beinen zu konzentrieren und ihr werdet schon sehen, wie schnell er weg geht – nicht.
Meine Gedanken sind die ganze Zeit um meine Rückenschmerzen gekreist. Wenn ich sie ausblenden konnte und mich auf einen imaginären Gegenstand in der Meditation konzentrieren konnte, habe ich davon nichts mehr gespürt – gar nichts mehr.

Gefühle beeinflussen dein Denken und deinen Körper stärker als du denkst

Meine Rückenschmerzen machten mir echt schlechte Laune. Ich wollte meditieren, konnte aber nicht, weil ich bei der geringsten Bewegung wieder Schmerzen hatte. Das hat mich verrückt gemacht! Das miese Gefühlt hielt aber noch nach der 30 minütigen Meditationssession an und führte dazu, dass sich meine Gedanken auch in anderen Bereichen weiter in eine Abwärtsspirale bewegten. Außerdem war ich nicht im Hier und Jetzt und habe mir Gedanken über Vergangenes gemacht und mich über Dinge oder Zustände geärgert, die längst passiert sind und auf die ich jetzt keinen Einfluss mehr habe.
Ich konnte aber auch bewusst positiv Einfluss nehmen. Wir konnten uns in einer speziellen Art von Konzentrationsmeditation üben, der Liebe- und Freundlichkeitsmeditation (Love and Kindness meditation). Dabei konzentriert man sich auf das Gefühl von Liebe und versucht es größer, glänzender und strahlender zu machen. Der ganze Körper ist dann erfüllt von dieser warmen Energie und dieses starke Gefühl hält noch viel länger an als es jede schlechte Gefühl tun könnte. Ich habe mich währenddessen und danach sehr leicht gefühlt. Hatte keine Rückenschmerzen mehr, war glücklich, zufrieden, sorgenfrei. All das hilft beim Einschlafen, also am besten vor dem Einschlafen noch mal kurz auf das Gefühl von Liebe konzentrieren und ihr werdet friedlich schlummern 🙂

In diesem Gefühlszustand hatte ich auch keine Angst mehr und habe mich frei gefühlt, so als ob ich alles erreichen könnte, was ich mir vornehme. Ich war mehr im Hier und Jetzt und die Gedanken gingen eher in die Zukunft und zu den Möglichkeiten, die ich habe, wenn ich sie nur ergreifen würde. Im Retreat ging das natürlich nicht, aber wenn ich mal wieder einen Motivationsschub brauche, werde ich auf diese Meditation zurückgreifen.

Gefühle sind kontrollierbar

Bei diesen intensiven Gefühlen habe ich mich oft wie in einer Achterbahn gefühlt. Zwei Stunden mies drauf, dann wieder ok, dann super glücklich und wieder von vorn.

In einem Moment großer Anspannung und nahe an einem Nervenzusammenbruch, riet mir ein Mönch tief ein- und auszuatmen und mich erstmal auf den Atem zu konzentrieren. Mein Geist wurde nach ein paar Atemzügen schon ein wenig ruhiger. Dann kam für mich noch der entscheidende Hinweis: „Lass alle deine Gefühle los“. Mir hat das geholfen, weil ich dann noch mal nachgesehen habe, was noch da ist und den Rest bewusst losgelassen habe.

Erst dann habe ich eine kühle Brise im Kopf gefühlt und alle Wolken, die dort vorher waren, waren weg. Mein Kopf war leer und leicht. Die Anspannung in meinem Körper lies auch nach, als ob sie aus mir herausfließen würde.

Wahrscheinlich brauchte ich diesen intensiven Gefühlsausbruch und die Anspannung, damit ich den Effekt von Anapanasati wirklich klar und deutlich spüren konnte.

Selbst eine Stunde später bei der nächsten Meditation war das Bild in meinem Kopf sehr klar und meine Konzentration besser als je zuvor.

Fazit

Mal so richtig zu leiden kann niemand von selbst wollen. In diesem Retreat passiert das von ganz alleine, ob man will oder nicht. Daraus lernt man aber am meisten. Wäre es nicht so, hätte ich diese Erfahrungen auch in meinem normalen Lebenswandel machen können und wir alle hätten keine Probleme mehr. Wir brauchen solche intensiven Erfahrungen, um wirklich wahrzunehmen, wie wir funktionieren.

Deshalb: Nehmt euch die Zeit für euch selbst – egal ob in Suan Mokkh oder irgendwo anders, wo man nicht in einem Betonbett schlafen muss. Es ist vielleicht nicht lebensverändern aber ihr lernt euch selbst mit Sicherheit ein Stück besser kennen – und das ist unbezahlbar.[:]

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